In diesem Buch steht nicht ein einziger Satz über Selbstverteidigung und trotzdem ist es Pflichtlektüre für jeden, der mit Kindern arbeitet. In vielen Themen wird es für den konfliktorientierten Trainer nicht pragmatisch genug aufgebaut sein. Trotzdem ermöglicht es ein unverzichtbares Verständnis für die faktische Organisation des Schutzauftrages von Bund und Ländern.

Ingo Bode und Hannu Turba bieten einen detaillierten Einblick in die Strukturen und Prozesse des Kinderschutzsystems in Deutschland. Die Autoren, beide mit sozialwissenschaftlichem Hintergrund, gehen insbesondere auf die Herausforderungen ein, die durch die Organisation und Verwaltung dieses Systems entstehen. Ingo Bode ist Professor für Sozialpolitik und Hanno Turba wissenschaftlicher Mitarbeiter am selben Institut. Sie bringen hier also sowohl ihre fachliche Expertise als auch umfassende Erfahrung in der Analyse gesellschaftlicher Institutionen ein. Das Buch ist hauptsächlich für Fachkräfte und Studierende im Bereich Sozialwissenschaften und Kinderschutz gedacht, da es den Kinderschutz aus institutioneller und soziologischer Sicht beleuchtet.

Ein zentrales Thema ist die Komplexität des Kinderschutzsystems, das von einem breiten Netzwerk professioneller Akteure geprägt wird. Die Autoren zeigen, wie gesellschaftliche Normen und politische Vorgaben den Rahmen für den Schutz von Kindern und Jugendlichen bestimmen und wie die Organisation des Systems multiprofessionell gestaltet ist. Dabei wird deutlich, dass der Kinderschutz in Deutschland weniger auf klaren Strukturen beruht, sondern durch ein komplexes Regelwerk charakterisiert ist, das regional und organisatorisch unterschiedlich umgesetzt wird. Diese Aspekte unterstreichen die Herausgeber mit einem besonderen Fokus auf die regionalen Unterschiede, die sich durch lokale Dynamiken und die Einbindung unterschiedlicher Träger auszeichnen. Das Buch beschreibt auch, wie diese multiprofessionellen Netzwerke und die regionalen Anpassungen das Zusammenspiel von Institutionen beeinflussen, was zu einer zusätzlichen Komplexität führt und oft eine koordinierte, systemübergreifende Zusammenarbeit erfordert.

Bode und Turba legen nahe, dass der Kinderschutz nicht nur eine institutionelle, sondern auch eine kulturelle Dimension hat. Sie machen deutlich, dass kulturelle Normen und gesellschaftliche Deutungsmuster eine bedeutende Rolle spielen, wenn es darum geht, was im Kinderschutz als notwendig und richtig erachtet wird. Diese kulturellen Einflüsse prägen die Wahrnehmung und das Verständnis des Schutzauftrags und beeinflussen letztlich die Arbeitsweise von Kinderschutzinstitutionen. Dieser Ansatz bietet dem Profi einen wertvollen Zugang, um zu verstehen, wie soziale und kulturelle Kontexte das Verhalten der Akteure innerhalb des Systems beeinflussen.

Natürlich sind die theoretischen Überlegungen und die komplexen Darstellungen für Praktiker im Kinderschutz schwer zugänglich. Die eher abstrakte Analyse wird den prototypischen Trainern, die konkrete Handlungsanweisungen erwarten, weniger anwendbar erscheinen. Auch die eher deskriptive Darstellung einiger Themen könnte dazu führen, dass die praktische Nutzbarkeit für den Alltag im Kinderschutz begrenzt ist. Dennoch schätze ich dieses Buch enorm, da es umfassende Kenntnisse über die strukturellen und sozialen Grundlagen des Kinderschutzes vermittelt und damit zu einem tieferen Verständnis dieses sensiblen Themenfeldes beiträgt.

Für Trainer, Übungsleiter und Lehrer, die sich für die institutionellen und kulturellen Mechanismen des Kinderschutzes interessieren und ja per se beruflich in diesem Bereich tätig sind, stellt Kinderschutz kompakt eine enorm wertvolle Informationsquelle dar. Das Buch ist besonders geeignet für diejenigen, die aus eigenem Antrieb heraus verstehen möchten, wie Kinderschutz in ein gesellschaftliches und institutionelles Gefüge eingebettet ist und welche Herausforderungen und Dynamiken sich daraus ergeben.